Wende in der Familienpolitik?

Dass die tschechische Ratspräsidentschaft die EU wieder aus ihrer selbstverträumten EUphorie zurück auf den nüchternen Boden der Tatsachen holt ist nicht nur bei der Debatte um den Lissabon-Vertrag zu beobachten, sondern auch in der Familienpolitik.

Ungeachtet der Tatsache, dass die Prager Konferenz, die Tschechien zum Auftakt der eigenen Ratspräsidentschaft am 05. und 06. Februar im Anschluss an ein Treffen der EU-Familienminister veranstaltete, kaum Resonanz in deutschen Medien gefunden hat, gibt sie wichtige Impulse für eine Familienpolitik, die auf Freiheit setzt und sich gegen politische und ökonomische Gängelung wendet:

Das Thema des Prager Kongresses, hochkarätig mit Experten aus verschiedenen Fachrichtungen besetzt, lautete: „Kindererziehung und Beschäftigungspolitik: Widerstreit oder Ergänzung?“. Die Frage zielte auf weit mehr als das Standardthema „Vereinbarkeit von Familie und Beruf“. Sie ging tiefer: Ist es wirklich in Ordnung, die Familie alleine oder an erster Stelle unter ökonomischen Gesichtspunkten zu betrachten, wie es in der Vergangenheit auch in so vielen EU-Dokumenten geschehen ist? Kann es angehen, eine europaweite Krippenbetreuung von mindestens jedem dritten Kind zu fordern, wie es die EU mit den „Barcelona-Zielen“ von 2002 tut, und dies etwa nicht mit dem Wohl des Kindes, sondern mit dem Bedarf von Frauen als „Humankapital“ in der Wirtschaft zu begründen? Wird hier nicht kurzsichtig Wirtschaftspolitik auf Kosten weiblicher Biografien, insbesondere aber auf Kosten einer gesunden Entwicklung der Kinder gemacht?

Es folgt eine eine Auswahl von Positionen, die auf der Konferenz vertreten wurden:

  • Paul Kirchhof (früherer deutscher Verfassungsrichter und Steuerexperte): Familie ist Keimzelle der Freiheit und braucht Freiheit

Wer will, dass die Wirtschaft wächst, muss auch wollen, dass Kinder gesund heranwachsen können. Kinder wachsen aber am besten heran in Familien, die der Staat nicht gängelt, sondern denen er größtmögliche Freiheitsspielräume gewährt: denn die Familie ist der „Kern der Freiheit“ und gibt sie weiter. Und die Wirtschaft tut gut daran, nicht auf erzwungene Frauenerwerbstätigkeit zu setzen, sondern sich etwas einfallen zu lassen, um Mütter unter attraktiven Bedingungen nach der Erziehungszeit für den Beruf zurückzugewinnen.

  • Albin Nees (Präsident des Deutschen Familienverbandes): Würdigung der Erziehungsarbeit

Nees verlangte […], dass von der Gesellschaft endlich anerkannt werden müsse, was es heißt, ein Kind zu erziehen. „Wer drei Kinder erzogen hat, muss behandelt werden, als habe er 20 Jahre lang ein mittleres Einkommen erzielt“, so sein konkreter Vorschlag.

  • Josef Isensee (deutscher Verfassungsrechtler): EU hat keinerlei familienpolitische Kompetenz, strikte Selbstbegrenzung

Noch einmal ins Grundsätzliche ging der Verfassungsrechtler  (Bonn), der in einer brillanten Analyse der gesamten Vertragskonstruktion, auf der die EU beruht, aufzeigen konnte, dass die EU keinerlei familienpolitische Kompetenz besitzt.  Wenn sie trotzdem versuche, ein bestimmtes, „ökonomisch imprägniertes“ Familienbild durchzusetzen, geschehe dies im Widerspruch gegen das europäische Subsidiaritätsprinzip und stelle einen Angriff auf die kulturelle Vielfalt Europas dar, in der auch die unterschiedliche Ausgestaltung der Ehe in den verschiedenen Ländern wurzele. Isensee empfahl deshalb der EU eine strikte Selbstbegrenzung auf das, was ihre Aufgabe sei, sowie eine Respektierung von Gewaltenteilung und nationaler Identität, ohne die die Union ihren eigenen Bestand gefährde.

Mehr zur Konferenz auch in DIE FREIE WELT und DIE PRESSE.

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Kirchhof für neuen EU-Vertrag

Über Wortmeldungen des ehemaligen Verfassungsrichters Paul Kirchhof kann man sich in der Regel immer freuen. Nimmt er doch meist eine klare Kontra-Position zum links-orientierten Mainstream in Politik und Gesellschaft ein. Auch bezüglich des Lissabon-Vertrages nimmt er kein Blatt vor den Mund. So fordert er nun, nach dem Nein der Iren, eine vollständige Überarbeitung des Vertragswerkes, da zu viele nationale Zuständigkeiten zu schnell nach Europa gegangen seien.

Man kann nur hoffen, dass sein Nachfolger, Udo di Fabio, das genauso sieht und sich im Zweiten Senat entsprechend durchsetzen kann. Der Beschluss des Bundesverfassungsgerichts über die Klagen des Bundestagsabgeordneten Peter Gauweiler und der Partei „Die Linke.“ stehen noch aus und sind nicht vor Herbst zu erwarten.