„Sehr erstaunt“ zeigt sich Hans-Gert Pöttering, der Vorsitzende des EU-Parlamentes, über die Veröffentlichung des harten Wortwechsels zwischen einer EU-Delegation und dem tschechischen Staatspräsidenten Václav Klaus von vor wenigen Tagen. Sehr recht scheint ihm die Veröffentlichung nicht zu sein. Zeigt das Gespräch doch eindeutig die Arroganz, mit der vor allem der EU-Abgeordnete Daniel Cohn-Bendit mit Klaus abrechnet. Eine argumentative Auseinandersetzung mit den berechtigten Bedenken der EU-Kritiker scheint nicht gewollt.
Ein paar Auszüge sollen dies verdeutlichen (Hervorhebungen durch No EUdSSR!):
Daniel Cohn-Bendit: Ich habe Ihnen eine Fahne mitgebracht, die Sie angeblich überall hier auf der Prager Burg haben. Es ist die Fahne der EU, ich werde Sie hier vor Ihnen hinstellen. Das wird eine schwere Präsidentschaft werden. Die Tschechische Republik wird sich mit dem Vorschlag der Arbeitsrechtsänderung und dem Klimapaket befassen. Das Klimapaket der EU enthält weniger, als wir in unserer Fraktion haben wollten. Es wird nötig sein, wenigstens dieses Minimum zu erhalten. Ich bin überzeugt davon, dass die Klimaveränderungen nicht nur ein Risiko, sondern auch eine Gefahr für die weitere Entwicklung des Planeten darstellen. Ich beziehe mich auf wissenschaftliche Meinungen und die Mehrheitsmeinung im Europaparlament und weiß, dass Sie mit mir nicht übereinstimmen. Sie können glauben, was Sie wollen, ich bin der Überzeugung, dass die globale Erwärmung Realität ist und keine Frage meines Glaubens.
Zum Vertrag von Lissabon: Ihre Ansichten darüber interessieren mich nicht, ich will wissen, was Sie tun werden, wenn er vom tschechischen Abgeordnetenhaus und vom Senat angenommen wird. Werden Sie den demokratischen Willen der Volksvertreter respektieren? Sie werden ihn unterschreiben müssen. Weiter will ich, dass Sie mir das Ausmaß Ihrer Freundschaft mit Herrn Ganley (dem Chef der irischen Libertas-Partei, die mit ihrer Kampagne maßgeblich das Nein der Iren zu Lissabon hervorrief) in Irland erklären. Wie können Sie sich mit einem Mann treffen, von dem nicht klar ist, wer ihn bezahlt? In Ihrer Funktion haben Sie sich nicht mir ihm zu treffen. Das ist ein Mann, dessen Finanzen sich aus problematischen Quellen speisen und der die jetzt zur Finanzierung seiner Wahlkampagne für das Europaparlament nutzen will.
Die „Argumentation“ von Cohn-Bendit ist wahrlich umwerfend: Das unhinterfragbare Dogma von der globalen Klimaerwärmung, der sakrosankte Lissabon-Vertrag, der unter allen Umständen ratifiziert und unterzeichnet werden muss, und die bis heute nicht bewiesenen Finanzierungsvorwürfe gegen Ganley. Von der Flaggen-Provokation ganz zu schweigen.
Die Reaktion von Václav Klaus ist daher nur folgerichtig:
Klaus: Ich muss sagen, dass niemand mit mir seit sechs Jahren (so lange ist Klaus Präsident, Anm. d. Red.) in diesem Stil und in diesem Ton gesprochen hat. Sie sind hier nicht auf den Pariser Barrikaden. Ich habe geglaubt, dass diese Methoden für uns vor 19 Jahren ein Ende gefunden hatten. Ich sehe, dass ich mich geirrt habe. Ich würde mir nicht erlauben, Sie zu fragen, womit die Aktivitäten der Grünen finanziert werden.
Klaus‘ resümierende Worte treffen dabei das gesamte Problem:
Klaus: Ich danke Ihnen für die Erfahrung, die ich mit diesem Treffen mit Ihnen machen kann. Ich habe nicht geahnt, dass so etwas möglich ist, und ich habe so etwas Ähnliches seit 19 Jahren nicht erlebt. Ich dachte, dass das der Vergangenheit angehört, dass wir in der Demokratie leben, aber in der EU funktioniert wirklich eine Post-Demokratie. Sie haben über europäische Werte gesprochen. Europäische Werte sind vor allem Freiheit und Demokratie, und darum geht es den Bürgern der Mitgliedsstaaten der EU vor allem, und heute sind die in der EU sehr im Verschwinden begriffen. Es ist erforderlich, sie zu verteidigen und sich um sie zu bemühen. Vor allem möchte ich betonen, was auch die Mehrheit der Bürger der Tschechischen Republik denkt, dass es für unsere Mitgliedschaft in der EU keine Alternative gibt. Ich war es, der den Antrag 1996 stellte und 2003 den Beitrittsvertrag unterschrieben hat.
Zur inneren Ausgestaltung der EU gibt es aber viele Alternativen. Nur eine von ihnen für heilig, unantastbar zu halten und überdies sie nicht anzweifeln oder kritisieren zu dürfen ist gegen Europa selbst gerichtet. Was den Vertrag von Lissabon angeht, da möchte ich gern daran erinnern, dass er auch in Deutschland noch nicht ratifiziert ist. Den Verfassungsvertrag, aus dem Lissabon hervorgegangen ist, haben in Referenden die Wähler in zwei weiteren Ländern abgelehnt. Wenn Herr Crowley von einer Beleidigung der irischen Wähler spricht, dann muss ich daran erinnern, dass es die größte Beleidigung der irischen Wähler ist, nicht zu respektieren, wie sie in ihrem Referendum über den Vertrag von Lissabon abstimmten. Ich habe in Irland mit jemandem geredet, der die Mehrheitsmeinung im Land vertritt, Sie, Herr Crowley, vertreten eine Meinung, die in Irland in der Minderheit ist. Das ist das greifbare Ergebnis des Referendums.
Die EU leidet unter einem Demokratiedefizit. Ergebnisse von Referenden gegen EU-Verträge werden nicht für voll genommen, sondern durch Wiederholungen (bis das Ergebnis stimmt) relativiert. Bei der Frage um den Lissabon-Vertrag geht es aber eben nicht um die grundsätzliche Frage „EU – Ja oder Nein“, sondern um die innere Ausgestaltung der Europäischen Union, die auch dezidiert anders vorgenommen werden kann, wie die folgenden Ausführungen Klaus‘ zeigen:
Klaus: In der EU gilt bislang das Einstimmigkeitsprinzip, und es ist nötig, das zu respektieren. Die EU kann nur funktionieren, wenn sie ihre eigenen Regeln und Prinzipien respektiert. Es ist notwendig, zur Deklaration von Laeken zurückzukehren und den Lissaboner Vertrag neu auszuhandeln. Es ist erforderlich, zu dezentralisieren, darüber zu sprechen, wie Machtbefugnisse zurückkehren auf das Niveau der Mitgliedsstaaten, die ihren Bürgern näher sind, wie man die Weichen stellt von einem Supranationalismus zu einem Intergovernmentalismus.
Entgegen dem allgemeinen Trend der unaufhaltsamen Machtkonzentration auf EU-Ebene setzt Klaus eine dezentrale Struktur der EU, die die Nähe zum Bürger sucht und seine demokratische Mitwirkung ernst nimmt.
Das Gespräch kann hier in voller Länge nachgelesen werden.
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