Schäuble und das Ende der Nationalstaaten

Ein „bemerkenswertes“ Interview hat die „Welt am Sonntag“ mit Bundesinnenminister Schäuble geführt. Neben den üblichen Lobeshymnen auf den EUrmächtigungsvertrag von Lissabon, dem üblichen Argument, dass wir uns ohne beständig fortschreitende europäische Integration permanent an die Gurgel gehen würden, und den üblichen Erklärungsversuchen, warum sich niemand für die Europawahl (für alle die es noch nicht wissen: Sie findet in Deutschland am 7. Juni statt) interessiert, fordert Herr Schäuble mal nebenbei einen direkt gewählten EU-Präsidenten und eine EU-Armee (und die Abschaffung der nationalen Armeen):

Europa braucht einen Präsidenten, der in einer europaweiten Wahl direkt von den Bürgern gewählt wird. Wie der Präsident der Vereinigten Staaten von Amerika. […] Die Nationalstaaten werden das nicht ohne Weiteres akzeptieren. Weil jener Präsident natürlich automatisch ein ganzes Stück stärker wäre. Und auch die Bevölkerung will ja nur sehr begrenzt Zuständigkeiten auf Brüssel übertragen. Also müssen wir uns jetzt erst einmal um das Machbare kümmern.

Ich schließe jedoch gar nicht aus, nein, ich hoffe sogar, dass wir eines Tages so eng zusammenwachsen. Es ist zum Beispiel meine Überzeugung, dass wir in nicht allzu ferner Zukunft keine nationalen Armeen mehr haben werden. Sondern eine europäische.

Fazit: Herr Schäuble möchte schnellstmöglich die Auflösung der europäischen Nationalstaaten zugunsten eines europäischen Superstaates mit einem Präsidenten an der Spitze und einer eigenen Armee.

Ich hoffe, die Äußerungen unseres Bundesinnenministers machen die Wahlfindung für den 7. Juni leichter.

Ergänzung: Sollte Herr Schäuble mit seiner Forderung nach einem „Europa-Obama“ (so Focus Online) durchkommen, dann bleibt uns nichts anderes übrig: Wir wählen alle Vaclav Klaus. 😉

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In der Höhle des Löwen: Václav Klaus

In die berüchtigte Höhle des Löwen hat sich heute der tschechische Staatspräsident Václav Klaus gewagt. Im Rahmen einer feierlichen Sitzung im EU-Parlament hielt der selbsterklärte EU-Dissident eine Rede. Wenn ein europäischer Staatschef sein Wort an die EU-Parlamentarier richtet, dann wird vor allem die gute Arbeit des Parlaments gelobt und die Fortschritte der europäischen Integration gewürdigt. Etwas völlig anderes als Nettigkeiten hat Václav Klaus heute ausgeteilt. Entsprechend waren auch die Reaktionen: Buh-Rufe erklangen und viele Parlamentarier verliesen entrüstet das Plenum. Doch was hat Klaus denn so schockierendes gesagt? Die Rede kann hier nachgelesen werden.

Giscard: Erneutes irisches Referendum vor den EU-Wahlen

Der ehemalige französische Staatspräsident Valéry Giscard d’Estaing möchte, dass noch vor den EU-Wahlen im Juni ein zweites Referendum in Irland abgehalten wird:

Er sei dafür, das eigentlich für Oktober anvisierte Referendum auf April oder Mai vorzuziehen, sagte Giscard am Samstag der Zeitung „The Irish Times“. Ein irisches Referendum erst im Herbst könne während der Bildung der neuen EU-Kommission Verwirrung stiften, weil dann zu lange unklar sei, ob 17 oder 27 Kommissare zu ernennen seien, sagte Giscard.

Das Einzige, was Giscard offensichtlich verhindern möchte, ist die Gefahr, dass der Lissabon-Vertrag Hauptthema der kommenden EU-Wahlen wird und die Bürger das ihnen nicht gewährte Referendum über den Reformvertrag durch ihre Stimmabgabe bei den Wahlen nachholen. Viel besser wäre es ja, wenn alles schon in Sack und Tüten ist und die Bürger resignierend ihr Kreuzchen an der richtigen Stelle oder eben gar nicht machen. Das irische Volk würde darüber hinaus im Überraschungsangriff das erwünschte Ergebnis ausspucken – die momentanen Umfragen passen ja ins Konzept – und der Widerstand wäre ohne Libertas im EU-Parlament geringer.

Dass solche Forderungen an der Realität vorbei gehen (allerfrühestens wird von einem erneuten Referendum im Herbst ausgegangen) und dass man mit einem erneuten Referendum generell das demokratische Prinzip unterminiert, stört die französischen EUrokratiker schon lange nicht mehr. Der Druck auf die irische Regierung während der französischen Ratspräsidentschaft war immens. Man denke nur an Sarkozys klare Worte: „Die Iren werden nochmals abstimmen müssen“. Glücklicherweise ist dies ja heute ein wenig anders und einer wie Giscard kann nicht mehr völlig ohne Hindernisse den Ausverkauf staatlicher Souveränität durch gefakte Referenden fordern. Den Tschechen sei Dank.

Neues vom Bundesverfassungsgericht

Am 10. und 11. Februar wird sich das Bundsverfassungsgericht mit der Klage des CSU-Abgeordneten Dr. Peter Gauweiler in einer mündlichen Verhandlung auseinandersetzen. Schon die eingeplante Verhandlungszeit zeigt, dass es alles andere als nur ein Formalakt wird.

Desweiteren ist vergangene Woche eine weitere Klage beim Bundesverfassungsgericht eingetroffen:

Darin klagen der ehemalige Vorstandschef der Thyssen AG, Dieter Spethmann, der frühere CSU-Europaabgeordnete Franz Ludwig Graf Stauffenberg, der Volkswirtschaftler Joachim Starbatty und der Berliner Juraprofessor Markus Kerber gegen den Vertrag

Inhaltlich bezieht sich die Klage vor allem auf nichteingehaltene Vorgaben des BVerfG aus dem Urteil des Maastricht-Vertrags von 1993:

Das Prinzip einer stabilen Währung werde ausgehöhlt, die Subsidiarität verletzt. Die EU-Kommission maße sich immer mehr Rechte an und agiere nicht als Hüterin, sondern Umdeuterin der europäischen Verträge. Der Vertrag von Lissabon ändere an dieser Fehlentwicklung nichts, sondern forciere sie. So seien etwa die Mitwirkungs- und Kontrollrechte von Bundestag und Bundesrat praktisch nicht umzusetzen.

Länger als erwartet wird also der Lissabon-Vertrag das Bundesverfassungsgericht beschäftigen und damit die Ratifikation des Vertrags aussetzen – vor allem da sich die Kläger um Thyssen-Chef Spethmann weigern, an der oben genannten mündlichen Verhandlung teilzunehmen.

Die „Argumente“ der EUrokratiker

„Sehr erstaunt“ zeigt sich Hans-Gert Pöttering, der Vorsitzende des EU-Parlamentes, über die Veröffentlichung des harten Wortwechsels zwischen einer EU-Delegation und dem tschechischen Staatspräsidenten Václav Klaus von vor wenigen Tagen. Sehr recht scheint ihm die Veröffentlichung nicht zu sein. Zeigt das Gespräch doch eindeutig die Arroganz, mit der vor allem der EU-Abgeordnete Daniel Cohn-Bendit mit Klaus abrechnet. Eine argumentative Auseinandersetzung mit den berechtigten Bedenken der EU-Kritiker scheint nicht gewollt.

Ein paar Auszüge sollen dies verdeutlichen (Hervorhebungen durch No EUdSSR!):

Daniel Cohn-Bendit: Ich habe Ihnen eine Fahne mitgebracht, die Sie angeblich überall hier auf der Prager Burg haben. Es ist die Fahne der EU, ich werde Sie hier vor Ihnen hinstellen. Das wird eine schwere Präsidentschaft werden. Die Tschechische Republik wird sich mit dem Vorschlag der Arbeitsrechtsänderung und dem Klimapaket befassen. Das Klimapaket der EU enthält weniger, als wir in unserer Fraktion haben wollten. Es wird nötig sein, wenigstens dieses Minimum zu erhalten. Ich bin überzeugt davon, dass die Klimaveränderungen nicht nur ein Risiko, sondern auch eine Gefahr für die weitere Entwicklung des Planeten darstellen. Ich beziehe mich auf wissenschaftliche Meinungen und die Mehrheitsmeinung im Europaparlament und weiß, dass Sie mit mir nicht übereinstimmen. Sie können glauben, was Sie wollen, ich bin der Überzeugung, dass die globale Erwärmung Realität ist und keine Frage meines Glaubens.

Zum Vertrag von Lissabon: Ihre Ansichten darüber interessieren mich nicht, ich will wissen, was Sie tun werden, wenn er vom tschechischen Abgeordnetenhaus und vom Senat angenommen wird. Werden Sie den demokratischen Willen der Volksvertreter respektieren? Sie werden ihn unterschreiben müssen. Weiter will ich, dass Sie mir das Ausmaß Ihrer Freundschaft mit Herrn Ganley (dem Chef der irischen Libertas-Partei, die mit ihrer Kampagne maßgeblich das Nein der Iren zu Lissabon hervorrief) in Irland erklären. Wie können Sie sich mit einem Mann treffen, von dem nicht klar ist, wer ihn bezahlt? In Ihrer Funktion haben Sie sich nicht mir ihm zu treffen. Das ist ein Mann, dessen Finanzen sich aus problematischen Quellen speisen und der die jetzt zur Finanzierung seiner Wahlkampagne für das Europaparlament nutzen will.

Die „Argumentation“ von Cohn-Bendit ist wahrlich umwerfend: Das unhinterfragbare Dogma von der globalen Klimaerwärmung, der sakrosankte Lissabon-Vertrag, der unter allen Umständen ratifiziert und unterzeichnet werden muss, und die bis heute nicht bewiesenen Finanzierungsvorwürfe gegen Ganley. Von der Flaggen-Provokation ganz zu schweigen.

Die Reaktion von Václav Klaus ist daher nur folgerichtig:

Klaus: Ich muss sagen, dass niemand mit mir seit sechs Jahren (so lange ist Klaus Präsident, Anm. d. Red.) in diesem Stil und in diesem Ton gesprochen hat. Sie sind hier nicht auf den Pariser Barrikaden. Ich habe geglaubt, dass diese Methoden für uns vor 19 Jahren ein Ende gefunden hatten. Ich sehe, dass ich mich geirrt habe. Ich würde mir nicht erlauben, Sie zu fragen, womit die Aktivitäten der Grünen finanziert werden.

Klaus‘ resümierende Worte treffen dabei das gesamte Problem:

Klaus: Ich danke Ihnen für die Erfahrung, die ich mit diesem Treffen mit Ihnen machen kann. Ich habe nicht geahnt, dass so etwas möglich ist, und ich habe so etwas Ähnliches seit 19 Jahren nicht erlebt. Ich dachte, dass das der Vergangenheit angehört, dass wir in der Demokratie leben, aber in der EU funktioniert wirklich eine Post-Demokratie. Sie haben über europäische Werte gesprochen. Europäische Werte sind vor allem Freiheit und Demokratie, und darum geht es den Bürgern der Mitgliedsstaaten der EU vor allem, und heute sind die in der EU sehr im Verschwinden begriffen. Es ist erforderlich, sie zu verteidigen und sich um sie zu bemühen. Vor allem möchte ich betonen, was auch die Mehrheit der Bürger der Tschechischen Republik denkt, dass es für unsere Mitgliedschaft in der EU keine Alternative gibt. Ich war es, der den Antrag 1996 stellte und 2003 den Beitrittsvertrag unterschrieben hat.

Zur inneren Ausgestaltung der EU gibt es aber viele Alternativen. Nur eine von ihnen für heilig, unantastbar zu halten und überdies sie nicht anzweifeln oder kritisieren zu dürfen ist gegen Europa selbst gerichtet. Was den Vertrag von Lissabon angeht, da möchte ich gern daran erinnern, dass er auch in Deutschland noch nicht ratifiziert ist. Den Verfassungsvertrag, aus dem Lissabon hervorgegangen ist, haben in Referenden die Wähler in zwei weiteren Ländern abgelehnt. Wenn Herr Crowley von einer Beleidigung der irischen Wähler spricht, dann muss ich daran erinnern, dass es die größte Beleidigung der irischen Wähler ist, nicht zu respektieren, wie sie in ihrem Referendum über den Vertrag von Lissabon abstimmten. Ich habe in Irland mit jemandem geredet, der die Mehrheitsmeinung im Land vertritt, Sie, Herr Crowley, vertreten eine Meinung, die in Irland in der Minderheit ist. Das ist das greifbare Ergebnis des Referendums.

Die EU leidet unter einem Demokratiedefizit. Ergebnisse von Referenden gegen EU-Verträge werden nicht für voll genommen, sondern durch Wiederholungen (bis das Ergebnis stimmt) relativiert. Bei der Frage um den Lissabon-Vertrag geht es aber eben nicht um die grundsätzliche Frage „EU – Ja oder Nein“, sondern um die innere Ausgestaltung der Europäischen Union, die auch dezidiert anders vorgenommen werden kann, wie die folgenden Ausführungen Klaus‘ zeigen:

Klaus: In der EU gilt bislang das Einstimmigkeitsprinzip, und es ist nötig, das zu respektieren. Die EU kann nur funktionieren, wenn sie ihre eigenen Regeln und Prinzipien respektiert. Es ist notwendig, zur Deklaration von Laeken zurückzukehren und den Lissaboner Vertrag neu auszuhandeln. Es ist erforderlich, zu dezentralisieren, darüber zu sprechen, wie Machtbefugnisse zurückkehren auf das Niveau der Mitgliedsstaaten, die ihren Bürgern näher sind, wie man die Weichen stellt von einem Supranationalismus zu einem Intergovernmentalismus.

Entgegen dem allgemeinen Trend der unaufhaltsamen Machtkonzentration auf EU-Ebene setzt Klaus eine dezentrale Struktur der EU, die die Nähe zum Bürger sucht und seine demokratische Mitwirkung ernst nimmt.

Das Gespräch kann hier in voller Länge nachgelesen werden.

Doppelt hält besser!

Jetzt ist offiziell, was jedem schon seit dem Ergebnis des 12.Juni klar war: Es wird ein zweites irisches Referendum über den Lissabon-Vertrag im nächsten Jahr geben. Das hat jetzt der EU-Gipfel „beschlossen“. Um die irische Bevölkerung für ein „Ja“ zu ködern, werden einige wenige Zugeständnisse gemacht. So wird u.a. die Verringerung der EU-Kommission zurückgenommen (weswegen Irland seinen ständigen Kommissar behalten darf) und es wird zugesichert, dass das Abtreibungsverbot und die militärische Neutralität Irlands nicht angetastet werden.

Wie es rechtlich möglich ist, einen Vertrag, der in den meisten Ländern schon ratifiziert wurde, nachträglich zu ändern, erschließt sich einem nicht. Es steht zu befürchten, dass dies ein generelles Vorzeichen dafür ist, wie die EU ihre strukturellen Grundsätze je nach Bedarf anpassen wird, wenn ersteinmal der Lissabon-Vertrag mit der Kompetenz-Kompetenz-Klausel in Art.48 verabschiedet wurde.

Man kann nur hoffen, dass die irische Bevölkerung ihrem demokratischen Votum vom 12. Juni treu bleibt und sich sagt: „Doppelt hält besser!“

„Gottes eigenes Land“

Nein, nicht Neuseeland, nicht Australien und nicht die USA sind es, die in diesem Fall als „Gods own Country“ bzw. „Gottes eigenes Land“ betitelt wurden, sondern es ist Europa, das Bischof Mixa, anlässlich seines bischöflichen Jahresempfanges, als dieses bezeichnet hat. Geladen war auch Hans-Gert Pöttering. Fazit:

Zu verstärktem Engagement für die Einigung Europas auf der Grundlage christlicher Grundwerte haben der Präsident des Europäischen Parlamentes Prof. Hans-Gert Pöttering und der Bischof von Augsburg, Dr. Walter Mixa, der zugleich Militärbischof der Bundeswehr ist, alle Christen in Deutschland aufgerufen. Pöttering sprach beim Jahresempfang der Diözese Augsburg zum Thema „Christliche Werte für Europa“ vor rund 400 geladenen Gästen. Den Vertrag von Lissabon bezeichnete Pöttering als „absolute Notwendigkeit für die Handlungsfähigkeit Europas, ohne die auch die europäischen Werte in einer veränderten Welt nicht auf Dauer erhalten werden können“. Bischof Mixa erinnerte die Christen an ihre Verantwortung für Europa, das „der Heilige Paulus selbst für die Botschaft Christi entdeckt hat“ und das deshalb ohne Übertreibung und richtig verstanden als „Gottes eigenes Land“ bezeichnet werden könne.

Durchaus bedenklich ist hierbei die Gleichsetzung von Europa mit der Europäischen Union, der hier das Wort geredet wird. Denn ein Engagement für Europa ist durchaus möglich, ohne, dass man gleichzeitig Politik und Struktur der EU gut heißen muss und zwar weil „Europa“ ein viel umfassenderer Begriff ist, als es die EU je sein kann. Ein solches Engagement kann sogar völlig unabhängig von der EU sein, ist Europa doch zu allererst ein historischer Begriff, die Bezeichnung eines Werte- und Kulturraumes, nicht einer der momentanen politischen Gestalt. Das Ansinnen hinter dieser Gleichsetzung ist jedoch leicht zu erkennen: Indem man die EU mit Europa gleich setzt, will man diese der konkreten politischen Kritik entziehen und die EU damit transzendieren.

Zu bedenken ist auch, dass die EU eben gerade eine Institution ist und sein will, die sich erklärterweise nicht auf dem christlichen Fundament Europas gründet (und das bei einem Anteil von 75% Christen!). Im Lissabon-Vertrag lesen wir etwas von dem „kulturellen, religiösen und humanistischen Erbe Europas“ – was immer das heißen mag. Nicht ohne Grund nimmt man eine solche nichtssagende Floskel, die eine deutlich Distanz zu einem klaren Bekenntnis, geschweige denn zu einem Gottesbezug, aufweist. Jeder soll sich herauslesen können, was er mag. Gerade dies zeigt ja offensichtlich, dass nicht einmal in Bezug auf die Verdienste des Christentums für die europäische Kultur eine Einigkeit unter den Vertretern der verschiedenen Länder herrscht.

Wie aber soll man sich da als Christ, wie Pöttering fordert, für die Einigung Europas, also der weiteren EU-Integration, einsetzen, die letztlich nur einen faulen Kompromiss in solchen grundsätzlichen Fragen bedeutet? Welche „europäischen Werte“ sind es, die erhalten werden sollen, wenn dies nicht einmal in einem grundlegenden Text, wie dem Lissabon-Vertrag, zum Tragen kommen?

EU-Rufmord-Kampagne gegen irische Vertragsgegner

Die Iren haben, wie bekannt, den Lissabon-Vertrag abgelehnt. Der Vertrag ist also hinfällig. Nun, zumindest wäre er das, wenn man sich in Brüssel an die selbstgemachten Regeln halten würde, aber seis drum. Irgendwie muss man sich mit dem Ergenis arrangieren. Zunächst setzte man, demokratisch wie man ist, Irland eine Galgenfrist, ob man es sich dort nicht noch einmal überlegen wolle um seinen „Fehler“ bei einer erneuten Abstimmung, das heisst Akklamation, zu korrigieren.

Nun gibt es erste Anzeichen, dass die Galgenfrist vorbei ist. So spricht sich der Außenvizekanzlerkandidat Steinmeier für eine EU-Pause Irlands aus, will heißen, einen befristeten Rausschmiß, bis sich Irland wieder unter-…äh…einordnet.

Andere halten sich nicht mit solchen förmlichen „Angeboten“ auf, sie gehen gleich in die Offensive und machen sich daran, die irischen Lissabon-Gegner als fremdgesteuerte fünfte Kolonne Washingtons zu diskreditieren. Der ehemalige Steineschmeißer, Anarchist und gegenwärtig vom Steuerzahler unterhaltene Euronationalist Cohn-Bendit will von Gerüchten gehört haben, wonach die irische Nein-Kampagne von CIA und Pentagon finanziert wurden, weil diese eine durch den Verfassungsvertrag zu stark werdende EU fürchten würden. Der Chefeuropäer Pöttering stieg sogleich auf diese Steilvorlage ein und forderte eine Offenlegung der Finanzen der Verfassungsgegner-Kampagne Libertas des irischen Unternehmers Declan Ganley.

Libertas äußerte sich inzwischen in einer Pressemitteilung unter anderem wie folgt:

Speaking today, Libertas Chairman Declan Ganley said „this statement gives us grave concern for the state of democracy in Europe“.

„The approach adopted by this European Parliament President’s group is a throw-back to an earlier era in history.“

„The Irish people made their decision on the Lisbon Treaty. That decision must be respected.“

Und weiter:

„Libertas is obliged to communicate the details of its funding to the Irish authorities in 2009. Libertas will comply with this obligation, as it has complied with the rules and campaign funding regulations.“

„Neither Libertas nor I have done anything illegal or wrong – this is interference in the electoral process in Ireland, something that Brussels has no business getting itself involved in and for which the people have not at this point given it competence“.

Die Zielrichtung dieser EU-Strategie ist klar. Die irischen Gegner des EU-Verfassungsvertrags sollen als Werkzeuge Washingtons (des Lieblingsfeinds der Eurokraten) diskreditiert, das Ergebnis des Referendums so delegitimiert werden und so eine erneute Abstimmung gerchtfertigt werden, die dann, nachdem man die Gegner so mundtot gemacht hat, das von Brüssel geforderte Ergebnis erbringt.

Dieses schaurige Schauspiel einer Rufmordkampagne gegen mißliebieg Kritiker, das bisher ebenso erwartungsgemäß wie erschreckend nicht zu einem öffentlichen Aufschrei geführt hat, zeigt wiedereinmal wie berechtigt der Name dieses Blogs ist. Wenn man keine Argumente hat, zumindest keine, die man öffentlich verwenden könnte, man nicht einfach von oben herab dekretieren kann und auch Möglichkeiten der juristischen Manipulation fehlen (die irische Verfassung schreibt eine Volksabstimmung zwingend vor) muss man eben zum Rufmord greifen, um das zu bekommen, was man will.

Spätestens dieses Vorgehen sollte den Menschen ihre Augen über den zunehmend totalitären Charakter der EUdSSR öffnen.

Bekommen wir doch unser Referendum?

Das zumindest ist die Idee von Declan Ganley, dem Hauptkoordinator der No-Kampagne im Vorfeld des irischen Referendums. Er möchte in ganz Europa mehr als 400 Kandidaten für die EU-Parlamentswahlen im kommenden Jahr ins Feld schicken, um so allen die Chance zu geben, Nein zum Lissabon-Vertrag zu sagen. Ein Referendum durch die Hintertür, so zu sagen. Anfangen möchte er mit Großbritannien und wenn möglich darüber hinaus. Dafür wird er seine Lobbyorganisation Libertas in eine Partei umfunktionieren:

„We will tell people that Libertas is the box you put your X in if you want to vote ‚No‘ to the Lisbon Treaty. It’s clear, it’s simple. The message will be: we are now giving you a referendum and it’s going to take place in June of next year at the European elections. People across Europe will have the chance to send the same resounding clear message that Brussels cannot continue with this treaty that the Irish people have rejected.“

Das Anliegen Ganleys ist mehr als nobel. An Mut und Willen wird es ihm zur Umsetzung nicht fehlen. Als problematisch wird sich jedoch die Tatsache erweisen, dass die Wahlmodi von Land zu Land unterschiedlich sind. Hier in Deutschland z.B. bedürfte es einer neuen Parteigründung, die in jedem Bundesland eine eigene Landesliste aufstellen müsste, wo sie antreten will. Einzelkandidaten sind nicht möglich.

Man kann nur hoffen, dass sein Engagement Früchte trägt. Leider ist nicht abzusehen, ob Ganleys Aktion auf dem Festland überhaupt eine Rolle spielen könnte. Aber es wäre schon ein großer Fortschritt, wenn EU-skeptische Fragestellungen die Wahl im nächsten Jahr noch mehr prägen würden als bisher und es insbesondere dem britischen Premierminister Gordon Brown schmerzlich bewusst werden würde, dass man Politik nie gegen das erklärte Interesse der eigenen Bürger betreiben kann.

Kirchhof für neuen EU-Vertrag

Über Wortmeldungen des ehemaligen Verfassungsrichters Paul Kirchhof kann man sich in der Regel immer freuen. Nimmt er doch meist eine klare Kontra-Position zum links-orientierten Mainstream in Politik und Gesellschaft ein. Auch bezüglich des Lissabon-Vertrages nimmt er kein Blatt vor den Mund. So fordert er nun, nach dem Nein der Iren, eine vollständige Überarbeitung des Vertragswerkes, da zu viele nationale Zuständigkeiten zu schnell nach Europa gegangen seien.

Man kann nur hoffen, dass sein Nachfolger, Udo di Fabio, das genauso sieht und sich im Zweiten Senat entsprechend durchsetzen kann. Der Beschluss des Bundesverfassungsgerichts über die Klagen des Bundestagsabgeordneten Peter Gauweiler und der Partei „Die Linke.“ stehen noch aus und sind nicht vor Herbst zu erwarten.